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Hessen

Seit 1. Januar 2018 ist der seit 2007 fakultativ in der hessischen Justiz mögliche elektronische Rechtsverkehr bundesweit eröffnet. Somit kann Hessen auf über 12 Jahre praktische Erfahrung im Umgang mit dem eingesetzten Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zurückblicken. Als technische Plattform wird EGVP in der Enterprise-Variante eingesetzt.

Darüber hinaus ist die hessische Justiz in der Lage im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs Nachrichten über die gesetzlich normierten sicheren Übermittlungswege entgegen zu nehmen und zu versenden. Diese sind:

  1. der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
  2. der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
  3. der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
  4. der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
  5. der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, 
  6. sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.

Der elektronische Rechtsverkehr ist mittlerweile in Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregistersachen, in Insolvenzverfahren sowie in der gesamten Fachgerichtsbarkeit sowohl im Posteingang als auch im Postausgang flächendeckend in Hessen etabliert.

Darüber hinaus können im Rahmen des automatisierten gerichtlichen Mahnverfahrens auch Anträge auf Erlass eines Mahnbescheids (https://www.online-mahnantrag.de) unter Nutzung des EGVP über das Internet gestellt werden. Auch hier erfolgt die gerichtliche Antwort zum Teil bereits elektronisch.

Zur Realisierung des elektronischen Postausgangs in den übrigen Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird ein integriertes Softwareprodukt aus Niedersachsen eingesetzt. Dieses Produkt verteilt zu einen eingehende elektronische Dokumente automatisch in Ablageverzeichnisse, wodurch ein komfortabler Zugriff erreicht wird. Zum anderen ermöglicht es den Versand sowohl eingegangener als auch von der Justiz selbst erstellter Dokumente direkt über ein EUREKA-Modul.

Bei Vorschussanforderungen sowie Schlusskostenrechnungen wird die elektronische Rechnungsversendung als Standardversendeprozess genutzt. Seit dem Beginn der Einführung im Jahr 2010 wurden auf diesem Weg rund 1.800.000 Rechnungen (Stand: Juni 2022) elektronisch übermittelt; davon mehr als 30.000 im Jahr 2021.

Die Einrichtung eines elektronischen Bezahlsystems (ePayment) im Hessenportal für Kreditkarten, PayPal und giropay ermöglicht eine schnelle und sichere Abwicklung aller Zahlungen für sämtliche der jährlich 1,23 Mio. Rechnungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die Rechnungsempfänger der elektronischen Rechnungen können diese unmittelbar unter Nutzung eines integrierten elektronischen Zahlungs-Links begleichen.

Im Jahr 2021 wurden über das ePayment-Portal Gerichtskostenforderungen in Höhe von insgesamt mehr als 7,3 Mio. EUR getilgt.

Ergänzend ist in Hessen zum 1. Juli 2022 die elektronische Kostenmarke eingeführt worden. Hierdurch ist auch im elektronischen Rechtsverkehr die Entrichtung von Gerichtskostenvorschüssen zusammen mit dem ersten Schriftsatz möglich.

Zur Umsetzung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (E-Justice-Gesetz; BGBl. I S. 3786) ist ein Programm eingerichtet worden, das als Ziel die Einführung durchgängig elektronischer Geschäftsabläufe im Gericht hat. In diesem Programm werden alle durchzuführenden Aufgaben bis zur flächendeckenden Einführung verantwortet.

In dem Programm sind erste Versionen der erforderlichen Software länderübergreifend im -Verbund, bestehend aus den Ländern Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt, entwickelt worden. Hessen verantwortet hierbei die Komponente e²P, ein innovatives Posteingangs- und -ausgangsmanagement zur automatisierten Dokumentensteuerung im Kontext der elektronischen Aktenführung. Bei der Entwicklung von e²P werden nicht nur elektronische Originale berücksichtigt, sondern auch durch Scannen digitalisierte Papiereingänge. Die Software versendet die ausgehenden Nachrichten in den verschiedenen Ausgangskanälen weitgehend automatisiert. Die Entwicklung basiert auf den im Projekt ELEVATOR (Elektronische Nachrichten Empfangen, Verteilen, Austauschen, Transformieren, Organisieren) erarbeiteten Ergebnisse, in dem als erster Schritt der sogenannte eNachrichten-Client entwickelt worden ist, der in den Gerichten den bisherigen EGVP-Client ersetzt hat und gegenüber diesem Mehrwerte bei der Verwaltung der Nachrichten bietet.

In der Praxis kommt die Software aus dem -Verbund in Hessen bereits seit dem Jahr 2016 zum Einsatz. Damals war im Vorgriff auf die elektronische Akte begonnen worden, mit der im -Verbund entwickelten Texterstellung e²T eine erste Teilkomponente in den Landgerichten für die dortigen Zivilverfahren einzuführen und zugleich den Rollout-Prozess zu erproben. Die Software ist mittlerweile flächendeckend in den Landgerichten Darmstadt, Fulda, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg an der Lahn, Marburg und Wiesbaden im Einsatz.

In Ordnungswidrigkeitenverfahren ist mit dem Projekt ERV OWi („Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeiten“ bundesweit erstmals in einem justiziellen Verfahren die Führung verbindlicher elektronischer Akten erfolgreich umgesetzt worden. ERV OWi realisiert eine vollständig elektronische Bearbeitung von Einspruchsverfahren gegen Bußgeldbescheide von der Verwaltungsbehörde über die Staatsanwaltschaft bis zum Amtsgericht.

ERV OWi wird bei drei Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften (Kassel, Limburg ZwSt. Hadamar und Frankfurt am Main) eingesetzt.

Die vorrangigen Ziele des Projektes, die mehrfache Erfassung von Personen- und Verfahrensdaten zu vermeiden sowie das Verfahren durch den Wegfall von Transportwegen der Papierakte und die ständige Verfügbarkeit der elektronischen Akte zu beschleunigen, wurden erreicht. Zur rechtssicheren Verwaltung der zu einem Verfahren gehörenden elektronischen Dokumente wird ein sogenanntes „Dokumenten-Management-System“ (DMS) genutzt.

Alle Dokumente einer Akte sind über das DMS einzeln aufrufbar und werden mit vom Dokumentenformat abhängigen unterschiedlichen Anzeigeprogrammen dargestellt. Sie werden in übersichtlicher Weise zusätzlich in einer sogenannten „PDF-Akte“ vereint, welche immer als Standardansicht der Akte bereitsteht.

Im Elektronischen Handelsregister sind alle Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister bei den 18 Registergerichten auf die elektronische Führung umgestellt und die hessischen Registerdaten sind auch über das bundesweite Registerportal (https://www.handelsregister.de) online recherchierbar.

Alle 2,7 Millionen Grundbücher des Landes sind elektronisch umgestellt und elektronisch beauskunftbar ( https://www.grundbuch-portal.de). Die ALB-Schnittstelle im Elektronischen Grundbuch wurde bei allen hessischen Grundbuchämtern eingeführt und optimiert den Datenaustausch mit der Katasterverwaltung.

Insolvenzveröffentlichungen ( https://www.insolvenzbekanntmachungen.de) und Zwangsversteigerungstermine (https://www.zvg-portal.de) können über das Internet elektronisch abgerufen werden.

Die hessische Landesrechtsprechungsdatenbank (LaReDa; https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de) wird von allen Gerichtsbereichen beliefert und bietet dem Bürger kostenfrei den Abruf von Entscheidungen.